Das größte kleine Wunder -  Stefanie Höhl

Das größte kleine Wunder (eBook)

Wie Babys und Kleinkinder die Welt entdecken und was sie für eine gesunde Entwicklung brauchen
eBook Download: EPUB
2025 | 1. Auflage
320 Seiten
Beltz (Verlag)
978-3-407-86808-4 (ISBN)
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Warum haben Babys Angst vor Gras? Warum schreit das Baby abends, wie sieht, riecht, hört und schmeckt es seine Umgebung? Die ersten vier Lebensjahre sind voller faszinierender Entwicklungsphasen, zu denen es ebenso faszinierende neue Erkenntnisse aus Kinderstudien weltweit gibt. Prof. Dr. Stefanie Höhl zeigt anschaulich, wie Kinder im Alltag lernen sich zu binden, zu fühlen, wahrzunehmen, zu denken, Zusammenhänge zu begreifen und sich immer besser zu bewegen. Und wie dieses Wissen Eltern hilft, ihre Kinder entspannt zu begleiten, z.B. wenn Babys wegen ihres eingebauten evolutionären Schutzmechanismus vor Pflanzen erst lernen müssen, dass Gras ungefährlich ist. •Für Eltern von Babys und Kleinkindern 0 bis 4 Jahre •Die Entwicklung von Bindung, Emotionen, Körper & Motorik, Wahrnehmung, Denken, Sprache, soziales Lernen, Empathie •Bildet kulturelle Vielfalt und diverse Lebensformen ab

Prof. Dr. Stefanie Höhl ist Leiterin der »Wiener Kinderstudien« am Institut für Psychologie der Entwicklung und Bildung der Universität Wien. Die Expertin für die frühe Kindheit und Mutter zweier Kinder bereitet entwicklungspsychologische und neurowissenschaftliche Erkenntnisse unterhaltsam, anschaulich und alltagsrelevant auf für Eltern.

Warum stabile Beziehungen so wichtig sind


Der erste ruhige Moment mit einem neugeborenen Baby ist unvergesslich. Vielleicht schaut einen das kleine Wesen schon neugierig an; vielleicht schläft es aber auch friedlich auf dem Arm nach den Anstrengungen der Geburt. Ich erinnere mich noch gut daran, wie zart und hilflos mir meine Kleinen kurz nach der Geburt vorkamen. Das Leben ist nun schlagartig anders für die ganze Familie. Nicht nur sind alle gewohnten Routinen, Tagesabläufe und die Nachtruhe erst mal passé. Ein neues Familienmitglied ist angekommen und somit eine Person mehr zum Liebhaben. So ist die Anfangsphase nach der Geburt eines Babys zweifellos turbulent und anstrengend, bis sich die Familie in der neuen Konstellation wieder eingespielt hat. Dennoch denken viele Eltern gerne zurück an diese Zeit, vor allem an das erste Gefühl der Verliebtheit in dieses zauberhafte kleine Wesen, das einem plötzlich anvertraut ist und das man intuitiv beschützen möchte und doch erst noch kennenlernen muss.

Die Emotionen nach der Geburt eines Kindes können sehr intensiv sein und durchaus schwanken. Erschöpfung ist dabei ein wichtiger Faktor und bei Müttern natürlich, dass sich ihre körperlichen Vorgänge nach Schwangerschaft und Geburt erst wieder einpendeln müssen. Ein evolutionär sehr altes Hormon spielt eine besondere Rolle in dieser frühen Phase der Eltern-Kind-Beziehung: Oxytocin.1 Manchmal ganz flapsig als »Kuschelhormon« bezeichnet, sind die physiologischen Mechanismen von Oxytocin doch bemerkenswert komplex. Schon während der Geburt spielt es eine Rolle bei der Auslösung von Wehen und später beim Stillen, insbesondere bei der Ausschüttung von Milch. Dabei ist das Zusammenspiel der chemischen Botenstoffe Oxytocin und Dopamin in der frühen Phase des Beziehungsaufbaus zwischen Menschen dafür zuständig, dass eine lang anhaltende Bindung aufgebaut wird.

Oxytocin ist demnach an der Entstehung und Aufrechterhaltung aller menschlichen Beziehungen beteiligt, von der Bindung des Kindes zu den Eltern über romantische Beziehungen bis hin zu Freundschaften. Dopamin stellt dabei sicher, dass das sogenannte Belohnungssystem im Gehirn beim frühen Beziehungsaufbau aktiviert wird. Dies ist wichtig, um eine anhaltend hohe Motivation zu gewährleisten, sich miteinander zu beschäftigen. So bleiben wir motiviert, Zeit und Energie in die neue Beziehung zu investieren. Frisch verliebte Paare möchten daher oft am liebsten jede freie Minute miteinander verbringen. Und junge Eltern? Trotz aller Anstrengungen, Müdigkeit und Erschöpfung bleiben sie durch das Zusammenspiel von Oxytocin und Dopamin begeistert dabei, sich mit ihrem Baby zu beschäftigen, sich um das kleine Wesen zu kümmern und es kennenzulernen. Es gibt also einen guten Grund, warum die Liebe für unser neugeborenes Baby uns an das Gefühl des Verliebtseins erinnert: Beide Gefühle teilen eine gemeinsame biologische Basis.

Brauchen Kinder Liebe?


Aus heutiger Sicht scheint uns die Antwort auf diese Frage vielleicht eindeutig, aber das war nicht immer so. In den 1940er-Jahren beschäftigte sich der britische Psychiater und Psychoanalytiker John Bowlby mit Kindern, die keinen optimalen Start ins Leben hatten. In einer seiner Studien arbeitete er mit jugendlichen Straftätern und versuchte, deren Persönlichkeit anhand ihrer frühen Erlebnisse in der Familie zu verstehen.2 Dabei machte er eine bedeutsame Beobachtung: Kinder, die früh straffällig wurden, hatten in der Regel eine frühe Trennung von ihren Eltern erlebt oder eine sehr harte Behandlung durch ihre Mütter oder Väter erfahren. Auf diesen ersten Beobachtungen aufbauend, entwickelte John Bowlby über die nächsten Jahre eine der einflussreichsten Theorien der Entwicklungspsychologie, die Bindungstheorie.

Mitte des 20. Jahrhunderts mussten sich die Ideen der Bindungstheorie aber zunächst gegen den damals sehr einflussreichen Behaviorismus durchsetzen. Diese Lehre geht davon aus, dass menschliches Verhalten vorwiegend durch Strafe und Belohnung geprägt wird. Menschen kommen demnach als unbeschriebenes Blatt zur Welt und können durch Belohnung und Bestrafung ihres Verhaltens beliebig »geformt« werden. Nach heutiger Vorstellung fast unbegreiflich sind die Empfehlungen des berühmten Behavioristen John Watson, der Eltern davor warnte, ihren Kindern zu viel Aufmerksamkeit zu schenken, mit ihnen zu spielen oder sie zu liebevoll zu behandeln.3 Solches Verhalten diene nur dazu, die Kinder zu verhätscheln und zu verwöhnen. Besser für das Kind sei es, wenn Eltern eine gewisse emotionale Distanz wahren und sich freundlich, aber bestimmt dem Kind gegenüber verhalten. Von liebevoller Zuwendung, wie Küssen und Umarmungen, riet er in deutlichen Worten ab. Auch sollten die Personen, die sich um das Kind kümmern, möglichst häufig wechseln, damit das Kind nicht von einer Person besonders abhängig würde. Aus heutiger Sicht eine grausige Vorstellung von Kindheit und Erziehung, der sich Bowlby und seine Mitstreiter*innen entgegenstellten.

Die Grundidee der Bindungstheorie ist nämlich eine ganz andere. Bowlby und seine Kolleg*innen, wie die US-amerikanische Entwicklungspsychologin Mary Ainsworth, erkannten gerade in den stabilen Beziehungen, die ein Kind zu anderen Menschen aufbaut, einen entscheidenden Faktor dafür, wie das Kind sich entwickelt und ob es sein Potenzial voll entfalten kann.4 Das Kind muss die Möglichkeit haben, Bindungsbeziehungen aufzubauen, was wiederum nur dann möglich ist, wenn es verlässliche Bezugspersonen hat, die sich über längere Zeit liebevoll um es kümmern. Heute ist diese Theorie auch vielen Eltern bekannt. Die wichtigsten Begriffe und Konzepte der Bindungstheorie werden aber zuweilen auch missverstanden.5

Häufige Missverständnisse zum Thema Bindung

  • »Die Mutter ist die Hauptbezugsperson des Kindes.« Richtig ist: Die Mutter kann, muss aber nicht die Hauptbezugsperson sein. Kinder können zu jeder liebevollen und verlässlichen Betreuungsperson eine sichere Bindung aufbauen, unabhängig von der biologischen Verwandtschaft. Väter sind genauso wichtig und geeignet als Bezugspersonen wie Mütter.

  • »Jedes Kind hat nur eine Hauptbezugsperson.« Richtig ist: Kinder können mehrere gleichwertige sichere Bindungsbeziehungen simultan aufbauen. Dies hat sogar Vorteile, da das Kind sich bei verschiedenen Betreuungspersonen gleichermaßen gut aufgehoben fühlt.

  • »Die Bedürfnisse des Kindes müssen immer zu 100 Prozent erkannt und erfüllt werden, damit es eine sichere Bindung aufbaut.« Richtig ist: Keine Bezugsperson liegt immer zu 100 Prozent richtig. Zudem hat sie auch eigene Bedürfnisse zu beachten. Kinder brauchen keine perfekten Eltern. Wichtig ist, dass Kinder das Gefühl haben, dass grundsätzlich jemand für sie da ist.

  • »Wer als Kind keine sichere Bindung aufbauen konnte, wird auch später in Beziehungen Probleme haben.« Richtig ist: Wer in der Kindheit eine sichere Bindungsbeziehung hatte, hat eine höhere Wahrscheinlichkeit, im Erwachsenenalter psychisch gesund zu sein. Jedoch gibt es viele Faktoren, welche die mentale Gesundheit beeinflussen, sodass sich im Einzelfall nicht zwingend von der frühen Bindung auf die spätere Gesundheit schließen lässt. Die gute Nachricht ist: Auch wer keinen perfekten Start in zwischenmenschliche Beziehungen hatte, kann später zu sensiblen und verlässlichen Partner*innen eine sichere Bindung aufbauen. Es...

Erscheint lt. Verlag 20.2.2025
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Familie / Erziehung
ISBN-10 3-407-86808-1 / 3407868081
ISBN-13 978-3-407-86808-4 / 9783407868084
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